Mittwoch, September 14, 2005

die qual der wahl


nachdem ich vor gut zwei monaten joschka fischer auf dem volksfest in fuerstenfeldbruck gehoert hatte, schien es mir, als waere der gruenen-chef noch auf der suche nach seinem leitmotiv fuer diesen wahlkampf. bei seinem wahlauftritt gestern abend auf dem muenchner marienplatz schien er diesen grundgedanken nun gefunden zu haben: die bevorstehende wahl sei eine fundamentale richtungsentscheidung, das modell eines bewahrenden umbaus des sozialstaats durch rot-gruen stehe dem geplanten abriss desselben durch schwarz-gelb gegenueber. schoen fuer fischer, dass er nun einen griffigen wahlslogan gefunden hat - aber ueberzeugen kann der aussenminister damit nicht wirklich. denn: wie soll man an eine echte richtungsentscheidung glauben, wenn alle grossen politischen weichenstellungen der letzten jahre - in der renten-, arbeitsmarkt- und sozialpolitik (und auch in den bereichen migration und integration!) - durch parteiuebergreifende grosse sachkoalitionen beschlossen wurden? somit ist es wohl bundeskanzler schroeder, der mit seiner einschaetzung naeher an der realitaet liegt. vor ein paar tagen hatte dieser in seiner wahlrede - ebenfalls auf dem marienplatz - von der frage nach der ausgestaltung des zukuenftigen reformkurses gesprochen. einem von der spd gewollten solidarisch abgestuetzten umbau der sozialsysteme stellte er dabei die von den unionsparteien unter angela merkel geforderte forcierte gangart in sachen reformen gegenueber. und die alternative zu all den reformen und refoermchen? wenn man (nicht ganz zu unrecht) die politik der vier heute im bundestag vertretenen parteien allesamt als aufbruch in einen vom liberalen marktdenken bestimmten staat betrachtet? wenn man sich fraegt, warum nur ein schlanker staat gut sein soll, warum der aspekt der steigerung der kaufkraft in der wirtschaftspolitik nichts mehr zaehlt und warum von arbeitslosen arbeitsbereitschaft eingefordert wird, wo es die zu besetzenden stellen aber gar nicht gibt? so abwegig waere es also gar nicht, die neue pds-linkspartei zu waehlen. zwar hat auch diese keine antworten auf alles, aber gregor gysi liegt mit seinem 'veraenderung beginnt mit opposition' eigentlich gar nicht so falsch. und die etablierung einer parlamentarischen kraft links von spd und gruenen waere im europaeischen kontext auch durchaus begruessenswert. aber dann stellt sich doch wieder die frage nach der wahlarithmetik. eine stimme fuer die linkspartei ist bei den gegebenen kraefteverhaeltnissen eine stimme fuer eine grosse koalition. und eine solche - gar mit einer kanzlerin merkel - muss ja wirklich nicht sein. wenn es nach der bundestagswahl schon zu keiner fortsetzung von rot-gruen mehr reicht, dann waere doch wenigstens eine spd-gefuehrte grosse koalition wuenschenswert. somit raet der verstand dieses mal zu einem votum fuer eine moeglichst starke spd - aber wohl ohne echte begeisterung. wie gesagt: die qual der wahl, die wahl der qualen.

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